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Ist männliche Gemeindeleitung schlecht für Frauen?

Vor dem Richterstuhl Christi müssen wir alle erscheinen. Unsere Aufgabe ist es also, ihm wohlgefällig zu leben. Daher dürfen wir uns nicht dem Druck der kulturellen Erwartungen oder den gesellschaftlich vorgegebenen Geschlechterrollen hingeben. In einer Welt, die biblische Leiterschaft oft missversteht, ist es jetzt umso wichtiger, Gottes befreiende Wahrheit über die Rollen von Mann und Frau zu kennen und danach zu leben.
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Ist männliche Gemeindeleitung schlecht für Frauen?
Lesezeit: 6 Minuten

Da sich die säkularen Trends unserer Kultur auch vermehrt in der Gemeinde bemerkbar machen, werden eine Menge von Fragen aufgeworfen, die sich mit der Rolle der Frau in der Gemeindeleitung beschäftigen. Ist das Konzept einer Ältestenschaft, die ausschließlich aus Männern besteht, für Frauen anstößig? Können Frauen in einer Gemeinde geistlich wachsen und gedeihen, wo ihnen das Predigen und das Ältestenamt verwehrt bleiben? Wie sieht es mit einer Gemeinde aus, die viele Frauen aufweist, die eine Lehr- und Hirtengabe besitzen (vielleicht sogar noch begabter sind, als einige der Männer im Leitungskreis)? Ist es etwa richtig, sie in der Ausübung ihrer Gaben zu beschränken? Dies sind die Fragen und Bedenken, die in die Debatte zwischen den Verfechtern des Egalitarismus und den Verfechtern des Komplementarismus hineinspielen.

Egalitarismus und Komplementarismus im Vergleich

Der Egalitarismus ist die Ansicht, dass Männer und Frauen nicht nur gleichwertig sind, sondern auch gleiche Rollen im Rahmen der Familie und der Gemeinde übernehmen können, während der Komplementarismus besagt, dass Männer und Frauen zwar gleichwertig sind, doch unterschiedliche, einander ergänzende Rollen im Rahmen der Familie und Gemeinde haben. BER (zu Deutsch: »Ressourcen für biblische Ältestenschaft«) vertritt den Standpunkt des Komplementarismus. Das Konzept einer ausschließlich männlichen Ältestenschaft ist von BER ausführlich angesprochen worden, einschließlich auf unserer Webseite und auch in Alexander Strauchs Buch, Biblische Ältestenschaft: Ein Aufruf zu schriftgemäßer Gemeindeleitung. Somit werden wir uns heute darauf konzentrieren, was die Perspektive einer Frau in Bezug auf männliche Ältestenschaft ist. Ist sie für mich als Frau etwa anstößig? Halte ich sie für repressiv? Finde ich, dass sie einschränkend ist?

Die aktuelle Situation

Die Ausgabe der amerikanischen Zeitschrift Christianity Today vom April 2024 bestätigt einen Trend in Richtung Egalitarismus in der evangelikalen Kultur. Der Leitartikel handelte von Geschlechterrollen in der Gemeinde und die Ausgabe enthielt drei Artikel, die sich dieses Themas annahmen – zwei von Verfechtern des Egalitarismus und einer von einer »unzufriedenen« Verfechterin des Komplementarismus, die sich laut CBMW (dem »Kolleg für biblische Männlichkeit und Weiblichkeit«) »offen die Frage stellt, ob sie sich überhaupt noch als eine Person bezeichnen sollte, die sich dem Komplementarismus verbunden fühlt.«

Egalitarismus und die Irrtumslosigkeit der Schrift

Ich muss zugeben, dass ich selbst die Perspektive des Komplementarismus wirklich niemals in Frage gestellt habe, da es schwer ist, jene Bibelabschnitte zu ignorieren, die ihn belegen. Wie Ligon Duncan sagte, erfordert es »[exegetische] Verrenkungen«, um

»von der biblischen Aussage, ›Ich erlaube aber einer Frau nicht, zu lehren, auch nicht, dass sie über den Mann herrscht‹ zu der Aussage, ›Ich erlaube einer Frau, zu lehren, und, dass sie über den Mann herrscht‹ in der tatsächlichen Gemeindepraxis hinzugelangen.«

Es komme, sagt Duncan, selten vor, dass jemand gleichzeitig die Sicht der Irrtumslosigkeit der Schrift und des Egalitarismus vertritt.

»Irrtumslosigkeit oder Egalitarismus – früher oder später setzt sich das eine gegenüber dem anderen durch.«

Da muss ich ihm zustimmen.

Mann und Frau sind unterschiedlich

Darüber hinaus schätze ich die Punkte, die von Strauch in Biblische Ältestenschaft herausgestellt werden, indem er den Zusammenhang für die Lehren des Paulus bezüglich der Geschlechter in 1. Korinther 11 und 14, Epheser 5 und Timotheus 2 liefert: Die vom Herrn Jesus auserwählten Apostel seien alle Männer gewesen, merkt Strauch an, und Paulus habe zudem seine Lehre bezüglich der Geschlechterrollen auf die feste Grundlage des Schöpfungsberichts aus 1. Mose und nicht auf seine zeitgenössische Kultur gegründet. Strauch zitiert Kevin DeYoung:

»Adam und Eva hätten nur als einander ergänzendes Paar die Erde füllen und sie sich untertan machen können . . . die Unterschiede zwischen Mann und Frau waren von Anfang an Gottes Idee gewesen. Die Unterschiede zwischen Mann und Frau zu ignorieren, herunterzuspielen oder zurückzuweisen, läuft darauf hinaus, dass man unser Schöpfungsdesign und den Gott ablehnt, der es sich ausgedacht hat.«

In anderen Worten: Männer und Frauen unterscheiden sich im Wesentlichen voneinander. Wir tragen das Bild Gottes auf individuelle Weise in uns, doch in kollektiver Hinsicht spiegeln wir ein vollständigeres Bildnis des Gottes wider, der uns geschaffen und gerettet hat.

Der Egalitarismus: Geschaffen von der Gesellschaft

Die relative »Neuheit« des Konzepts des Egalitarismus in der Kirchengeschichte ist ebenso erwähnenswert. Die Rolle der Frau in der Gemeindeleitung ist seit Anbeginn der Gemeinde vor fast 2000 Jahren relativ dieselbe geblieben. Über Jahrhunderte hinweg haben Menschen praktisch in allen christlichen Denominationen zu Gemeinden gehört, deren Verantwortliche, ohne mit der Wimper zu zucken, ausschließlich männlich waren. Doch plötzlich verhält es sich so, dass man, wenn ich den Leuten sagen würde, dass Frauen in meiner Gemeinde nicht predigen dürfen, mich so anschaut, als hätte ich fünf Köpfe. Was ist nur los?

Strauch schreibt:

»Seit tausenden von Jahren haben Gottes Leute gewusst, dass die Schrift einander ergänzende Rollenunterschiede zwischen Männern und Frauen lehrt. Es ist kein Zufall, dass viele Christen mittlerweile die historische Sicht bezüglich der biblischen Perspektive zu Männern und Frauen erst verworfen haben, nachdem die säkuläre Gesellschaft in den 1960igern den Weg für eine völlige Geschlechtergleichstellung zwischen Mann und Frau freigemacht hatte. Wenn wir einen Augenblick lang ehrlich sein könnten, würden wir zugeben müssen, dass es der gewaltige, allgegenwärtige Einfluss der säkulären Gesellschaft gewesen ist, der dazu geführt hat, dass wir es nun anders sehen, und der uns bedrängt, die Werte der Welt zu akzeptieren… Die mitunter größte Problematik, die mit dem evangelikalen Feminismus einhergeht, ist der Umstand, dass dieser die Autorität der Schrift untergräbt. Wer will denn schon eine Bibel, die zwar eine Sache sagt (und sie sogar verteidigt), aber eigentlich das Gegenteil davon meint? Dabei handelt es sich nicht um ein Buch, das unseres Vertrauens würdig ist.«

Ich bin ganz seiner Meinung.

Die Rolle der Frau in der Gemeindeleitung

Als ich allerdings mehr über die Perspektive des Egalitarismus las, fiel mir etwas anderes auf – etwas, das überhaupt nichts mit Geschlechterrollen zu tun hat. Es hat vielmehr mit dem Wesen der Verantwortung im Rahmen der Gemeinde zu tun.

Die Argumente des Egalitarismus werden heutzutage von der Voraussetzung unterfüttert, dass sich die Gemeindeleitung auf der höchsten Sprosse einer Leiter befindet, die es zu erklimmen gilt. In der oben erwähnten Ausgabe von Christianity Today von heute beklagt Gaby Viesca als Verfechterin des Egalitarismus beispielsweise, dass sich viele Gemeinden zwar dem egalitären Modell stetig annähern, doch das Konzept der weiblichen Leiterschaft nicht wirklich übernehmen oder es willkommen heißen. Sie schreibt: »Es gibt keine Chancengleichheit auf dem Spielfeld.«

Leiterschaft im Leib ist kein Leistungssport

»Welches Spielfeld?«, fragte ich mich. Wenn es sich bei der Leiterschaft des Leibes Christi um ein Spielfeld handelt, wo Wettkämpfer um Titel, Positionen, Gehälter und Auszeichnungen wetteifern, dann stimmt wohl etwas nicht. Spielfelder sind zwar eine prima Sache für den Sport und eignen sich auch für die akademische Welt und die Geschäftswelt, doch in der Gemeinde haben sie nichts zu suchen. Leiterschaft als Spielfeld steht im klaren Gegensatz zu dem Leiterschaftsmodell, das Jesus praktizierte und lehrte.

Wenn die Gemeindearbeit lediglich eine christianisierte Version der Karriereleiter der freien Wirtschaft ist, dann läuft es auf eine Unterdrückung der Frauen hinaus, wenn eine Gemeinde Frauen davon abhält, als Älteste zu dienen oder vor einem gemischten Publikum zu predigen, weil diese Frauen dadurch behindert werden, die Karriereleiter zu erklimmen. Wenn Männer zu Leitungsaufgaben »aufsteigen« können, ist es frauenfeindlich, Frauen davon abzuhalten. Doch was ist, wenn die Metapher der Karriereleiter völlig unangebracht ist?

Der Leiter lebt als Diener aller

Anlässlich der BER 2024 Konferenz sagte Alexander Strauch in seiner Botschaft über die Umkehrung der Leiterschaftspyramide:

»Das Bild einer Pyramide wird normalerweise verwendet, um eine Organisationsstruktur zu beschreiben, in der sich der Chef ganz oben befindet. Er übt von oben Autorität über seine Untergebenen aus…. Wir haben eine andere Art der Organisationsstruktur. Und was noch wichtiger ist: Uns ist ein anderer Leiterschaftsstil anvertraut worden, und er ist uns direkt von unserem Herren Jesus Christus anvertraut worden… Er sagte nämlich Folgendes: ›Hört mal, ich werde das alles umkehren. Erst wenn du der Diener aller bist, bist du der Beste.‹«

Vielleicht geht es eigentlich gar nicht um die Debatte zwischen Egalitarismus und Komplementarismus, sondern um den Umstand, dass die moderne Gemeinde bezüglich Leiterschaft völlig falsch denkt. Was ist, wenn die Ältestenschaft, anstatt ein Joch zu sein, vor dem man sich niederbeugen muss, vielmehr eine Position der Verantwortung und Dienerschaft ist?

Bei einem biblischen Modell der Ältestenschaft sind die Männer, die als Älteste anerkannt werden, jene vom Geist eingesetzte Männer, die einen demütigen, christusähnlichen Charakter an den Tag legen und danach trachten, den Aufseherdienst zu tun (1Tim 3,1), was erfordert, dass man sich gehörig bücken muss, um dienen zu können. Der selbstsüchtige Ehrgeiz, der eine Person allzu oft dazu motiviert, sich nach einem Leitungsamt auszustrecken, ist eigentlich eine disqualifizierende Charaktereigenschaft.

Der Leiter dient um seinem Herrn zu gefallen

Der Beweggrund für alles, was wir tun, sollte sein, dass wir dem Herrn gefallen wollen. In diesem kurzen Leben tun wir das, was wir tun, um eines Tages unseren Retter sagen zu hören: »Recht so, du guter und treuer Knecht.« Unsere Prioritäten, unsere Aktivitäten, die Art und Weise, wie wir unsere Gaben zum Einsatz bringen – dient alles dazu, das Ziel zu erreichen, dass in 2. Korinther 5 dargelegt wird:

»Darum suchen wir auch unsere Ehre darin, dass wir ihm wohlgefällig sind, sei es daheim oder nicht daheim. Denn wir alle müssen vor dem Richterstuhl des Christus offenbar werden, damit jeder das empfängt, was er durch den Leib gewirkt hat, es sei gut oder böse…Denn die Liebe des Christus drängt uns, da wir von diesem überzeugt sind: Wenn einer für alle gestorben ist, so sind sie alle gestorben; und er ist deshalb für alle gestorben, damit die, welche leben, nicht mehr für sich selbst leben, sondern für den, der für sie gestorben und auferstanden ist.« (2Kor 5,9–10.14–15)

Es ergibt keinen Sinn, mit dem Design Gottes für mein Leben unzufrieden zu sein, weil es nicht zu den kulturellen Erwartungen für Chancengleichheit passt. Wenn ich also hier auf dieser Erde bin, um ihm, anstatt mir selbst zu dienen, spielt es dann eine Rolle, dass es einige sehr spezifische Dienste gibt, die nicht für mich gedacht sind? Oder sollte ich mich dann nicht lieber auf viele Dinge konzentrieren, die ich tun darf – und zu seiner Ehre tun darf? Wir leben nicht für uns selbst, sondern wir leben für den Herrn. Wir strecken uns nicht nach irdischen Positionen oder nach irdischen Auszeichnungen aus, sondern nach seinem Wohlgefallen.

Anstatt eine einschränkende Sache zu sein, kann das Frausein in einer Gemeinde, die den Komplementarismus vertritt, sogar recht befreiend sein. 

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