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Was ist der Unterschied zwischen Vergebung und Versöhnung?

Vergebung ist das Bindemittel des Evangeliums, das Familien zusammenhält. Wir müssen dabei sicherstellen, dass wir den Unterschied zwischen Vergebung und Versöhnung kennen und dass wir uns diese beiden Begriffe klar vor Augen halten.
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Was ist der Unterschied zwischen Vergebung und Versöhnung?
Lesezeit: 4 Minuten

Als Eltern müssen wir unseren Kindern beibringen, Menschen, die uns verletzt haben, zu vergeben, und andere um Vergebung zu bitten. Vergebung ist das Bindemittel des Evangeliums, das Familien zusammenhält.

In Bezug auf Teenager und Erwachsene brauchen wir jedoch ein noch differenzierteres Verständnis von Vergebung. Insbesondere müssen wir sicherstellen, dass wir den Unterschied zwischen Vergebung und Versöhnung kennen und dass wir uns diese beiden Begriffe klar vor Augen halten.

Vergebung und Versöhnung: Die Geschichte Josephs

Im Gespräch mit einzelnen Leuten bin ich oft auf die Geschichte von Joseph zurückgekommen, um diesen Unterschied deutlich zu machen (1. Mose 37–50). Die Geschichte von Joseph bietet sich zwar auch als nette Kindergeschichte an, aber bei realistischer Betrachtung, fangen wir an, Joseph zu bemitleiden und zu bewundern.

Aber was ist eigentlich der Hintergrund dieser Geschichte? Als einer von zwölf Brüdern wurde Joseph in eine zerrüttete Familie hineingeboren. Er hatte einen Vater, der ihn bevorzugt behandelte und damit die Eifersucht seiner anderen Kinder schürte. Als Gott Joseph träumen ließ, dass er einmal über seine Brüder herrschen würde, erzählte er seinen Brüdern davon. Wir wissen nicht, ob er es ihnen erzählte, weil er naiv oder hochmütig war. Wütend darüber lieferten sie ihn an Menschenhändler aus. Er wurde in weite Ferne verschleppt, fernab seiner Familie und zu einem Haussklaven gemacht.

Mit der Zeit, arbeitete er sich in diesem Haushalt nach oben. Da er ein gutaussehender junger Mann war, versuchte die Frau des Hauses, ihn zu verführen. Aber Joseph war ein redlicher Mann und wies sie zurück. Daraufhin beschuldigte sie ihn fälschlicherweise der versuchten Vergewaltigung. Ohne Gerichtsverfahren wurde Joseph seiner Position enthoben und ins Gefängnis geworfen, um dort zugrunde zu gehen. Aber auch hier verdiente er sich Respekt und bekam Verantwortung übertragen. Außerdem schenkte ihm Gott die Fähigkeit , die Träume zwei seiner Mithäftlinge zu deuten. Seine einzige Bitte war, dass man sich vor dem Pharao an ihn erinnern würde. Aber Joseph war schnell vergessen, als der Mithäftling seine alte Position zurückerhielt.

Vergebung

Immer wieder sehen wir, wie Joseph anderen zum Opfer fällt und wie man sich an ihm versündigt. Die ganze Ereigniskette wurde in Gang gebracht, weil seine Brüder bereit waren, ihn zu verraten. Joseph allerdings schien ein Mann zu sein, der denen, die sich an ihm versündigt hatten, vollkommen vergab. In der biblischen Geschichte findet sich kein Hinweis auf Murren, Klagen oder Bitterkeit gegenüber Gott oder anderen.

Dieses Vorbild fordert uns dazu heraus, anderen die Schuld zu erlassen und als vergeben zu betrachten. Jesus sagt uns, dass wir den Vater täglich um Vergebung bitten sollen, so wie wir auch anderen Vergebung zuteilwerden lassen (Mt 6,12). Gleich dem Mann, der eine unendlich große Schuld hatte, sollen auch wir die Schuld derer erlassen , die sich an uns versündigt haben (Mt 18,23ff). Indem wir die Schuld als vergeben ansehen, kämpfen wir gegen Bitterkeit an. Bitterkeit und Zynismus beginnen zwar im Herzen, kommen aber letztendlich unweigerlich aus dem Mund und verunreinigen andere (Heb 12,15).

Versöhnung

Sich ein liebevolles Herz zu bewahren, ist allerdings nicht dasselbe wie Versöhnung. Sich selbst vor Augen zu halten, dass einem vergeben wurde und dass man deshalb seine Feinde nicht hassen sollte, ist etwas anderes als persönliche Gemeinschaft.

Wir sehen dies auch im Leben von Joseph. Als seine Brüder in Ägypten eintreffen, um Getreide zu kaufen, wissen sie nicht, dass der Herrscher ihr eigener Bruder ist, aber Joseph erkennt sie. Er stellt seine Brüder daraufhin geschickt auf die Probe, um zu sehen, ob sie sich verändert haben. Werden sie seinen Bruder Benjamin genauso verraten, wie sie ihn einst verraten haben ? In 1. Mose 44,33 erfahren wir, dass die Brüder sich tatsächlich verändert haben. Juda bietet an, lieber selbst ins Gefägnis zu gehen, als Benjamin zurückzulassen. Joseph sieht die Veränderung seiner Brüder. Da gibt er sich ihnen zu erkennen. In diesem Moment kommt es zur vollständigen Versöhnung.

Die Geschichte Josephs hilft uns, den Unterschied zwischen Vergebung und Versöhnung zu verstehen. Sie zeigt, warum es sein kann, dass wir uns von bestimmten schwierigen Menschen abgrenzen müssen. Sie veranschaulicht sogar, dass wir in angespannten Beziehungen leben können, ohne dabei zu verbittern. Gottes Wort sagt uns:

»Ist es möglich, soviel an euch liegt, so haltet mit allen Menschen Frieden« (Röm 12,18).

Manchmal können wir nicht mit allen uneingeschränkte Gemeinschaft genießen, wenn sie ihr Herz verschließen und immer weiter versuchen, zu manipulieren.

Eine andere Sicht?

Einige vertreten den Standpunkt, dass wahre Vergebung ohne Versöhnung nicht möglich ist. Sie gebrauchen andere Worte, um diese innere Dynamik zu beschreiben. Diese Sichtweise besagt, dass man, sofern jemand Buße tut, dieser Person vergeben sollte. Man sei allerdings nicht verpflichtet, der Person zu vergeben, wenn sie keine Buße tut. Stattdessen sollte man die Sünde Gott und seinem endgültigem Gericht anvertrauen.

Ich glaube nicht, dass das menschliche Herz so funktioniert. Ich würde mich versucht sehen, diese Sünde zwar Gott anzuvertrauen, dabei aber einen rachsüchtigen Geist zu haben. Ich würde wahrscheinlich etwas murmeln wie : »Wir werden uns in diesem Leben nicht versöhnen, aber ich kann es kaum erwarten, dass Gott es ihm in der Ewigkeit vergilt.« In Anbetracht meines eigenen sündigen Herzens würde es mir schwerfallen, »meinen Feind zu lieben« (Mt 5,44) und »meinem Feind zu essen zu geben« (Röm 12,20), wenn ich nur darauf warte, dass Gott ihn in die Hölle wirft.

Ganz egal, welche Sicht du vertrittst, es geht jeweils um denselben Knackpunkt. Es gibt zwei Bereiche, mit denen sich jeder auseinandersetzen muss, um zu verhindern, dass man bitter wird. Der erste Bereich betrifft die Dynamik unseres eigenen Herzens, unabhängig davon, was die andere Person tut. Der zweite Bereich betrifft die Dynamik in unseren zwischenmenschlichen Beziehungen.

Wie konnte Joseph das tun?

Schließlich müssen wir uns die Frage stellen: »Wie gelang es Joseph, so zu reagieren? Was ermöglichte es ihm, so großmütig zu vergeben?« Der Schlüssel findet sich zweifelsohne in 1. Mose 50,20a, wo uns Joseph Einblick in sein Gottesverständnis gibt. Wenn er sagt: »Ihr gedachtet mir zwar Böses zu tun; aber Gott gedachte es gut zu machen«, spielt Joseph weder ihre Sünde herunter noch kehrt er sie unter den Teppich.

»Ihr gedachtet mir zwar Böses zu tun; aber Gott gedachte es gut zu machen«

Er sagt: »Ihr gedachtet mir Böses zu tun.« Er ist ein Realist, was das menschliche Herz angeht. Doch Joseph hat auch eine hohe Gottessicht. Er versteht, dass Gott sowohl souverän als auch gut ist. Gott wendet das, was sie ihm Böses zu tun gedachten, zum Guten.

Dasselbe trifft auch auf uns zu. Nicht jede Beziehung in unserem Leben ist gut. Manchmal erleben wir Böses. Doch, so wie Joseph, können auch wir an unserer inneren Herzensdynamik und an unseren Beziehungen arbeiten, weil wir wissen, dass Gott Gott ist. Und Gott ist gut.

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