Aber was hat der Bibeltext mir zu sagen?

Wie kann ich die Bibel praktisch anwenden und was hat der Bibeltext mir zu sagen? John MacArthur beantwortet die Frage, wie wir mit der Bibel umgehen sollten und ob es einen Unterschied zwischen lehrhafter und praktischer Wahrheit gibt.
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was hat der Bibeltext mir zu sagen?
Lesezeit: 4 Minuten

Was der Bibeltext für mich bedeutet, ist eine gängige Fragenstellung

Aber was hat der Bibeltext mir zu sagen? Das ist eine aktuelle Fragestellung, nach den Trends in Andachtsbüchern, Bibelkreis-Gesprächen, Sonntagsschul-Materialien und allgemeinen Predigten zu urteilen.
Die Frage nach der Bedeutung einer Schriftstelle ist ins Hintertreffen geraten gegenüber der Frage danach, was sie „mir“ zu sagen hat.
Der Unterschied scheint zunächst unbedeutend zu sein. Dennoch spiegelt unser Konzentriert sein auf die Anwendbarkeit der Schrift eine grundlegende Schwäche wider. Wir haben die praktische Anwendbarkeit als letztgültigen Maßstab an den Wert des Wortes Gottes angelegt. Wir vergraben uns in Abschnitte, die sich offenkundig auf das tägliche Leben beziehen und ignorieren solche, die das nicht tun.

Zu Beginn meines Dienstes habe ich mich bewusst dem biblischen Predigen verschrieben. Meine erste Priorität galt immer der Frage „Was bedeutet dieser Abschnitt?“ Nachdem ich zunächst so deutlich und genau wie möglich die Aussagen des Wortes Gottes erklärt habe, ermutige ich die Zuhörer, diesen Aussagen zu gehorchen und sie in ihrem Leben anzuwenden.
Die Bibel spricht für sich selbst zum Herzen des Menschen; es ist nicht meine Aufgabe als Prediger, die Botschaft jeweils so gut wie möglich zurechtzustutzen. Das ist der Grund für mein Prinzip, durch ganze biblische Bücher zu predigen, indem ich mich sorgfältig mit jedem Vers und Satz beschäftige – auch wenn das manchmal bedeutet, Zeit mit solchen Abschnitten zu verbringen, die nicht sofort unterhaltsame oder herausfordernde Botschaften hergeben.

Ich bin dem Herrn dankbar dafür, dass er diesen erklärenden Ansatz in unserer Gemeinde und im Leben unserer Radiohörer gesegnet hat. Aber hin und wieder sagt mir jemand offen, dass meine Predigten weniger lehrhaft und stattdessen praktischer sein müssten.

Sollten wir zwischen lehrhafter und praktischer Wahrheit unterscheiden?

Praktische Anwendung ist lebenswichtig; ich möchte ihre Bedeutung nicht herunterspielen. Aber eine Unterscheidung zwischen lehrhafter und praktischer Wahrheit ist unnatürlich, Lehre ist praktisch!

„Aber eine Unterscheidung zwischen lehrhafter und praktischer Wahrheit ist unnatürlich, Lehre ist praktisch!“

Es gibt eigentlich nichts Praktischeres als solide Lehre. Allzu viele Christen sehen Lehre als kopflastig und theoretisch an, sie haben lehrhafte Passagen als unwichtig abgetan, als entzweiend, bedrohlich oder einfach nur als unpraktisch. Ein christlicher Bestseller, den ich kürzlich gelesen habe, warnt eindringlich vor Predigern, deren Betonung auf Schrift-Auslegung statt auf Anwendung liegt.

Augenblick mal – ist das ein weiser Rat? Keinesfalls. Überflüssige Lehre stellt doch keine Gefahr dar; die wirkliche Bedrohung ist ein von der Lehre losgelöstes Bemühen um Belang. Anwendungen, die nicht auf solider Auslegung beruhen, haben die Christen schon in verschiedenste Verwirrungen geführt.
Kein anderes Lehrfach wird heutzutage in der Gemeinde dringender gebraucht als auslegende biblische Unterweisung. Zu viele haben sich bereits von der Lüge kaufen lassen, Lehre sei etwas Abstraktes und Bedrohendes, das mit dem täglichen Leben nichts zu tun hat.

Es ist heute üblich, lehrhafte Inhalte durch Psychologie und häppchenweise Anwendungen zu ersetzen, während der theologische und auslegende Dienst vernachlässigt wird. Aber der Pastor, der sich vom Predigen solider Lehre abkehrt, gibt die vordringlichste Verantwortung eines Ältesten auf, „an dem der Lehre gemäßen zuverlässigen Wort festzuhalten, damit er fähig sei, sowohl mit der gesunden Lehre zu ermahnen als auch die Widersprechenden zu überführen.“ (Titus 1,9)
Praktische Einsichten, ausgefallene Ideen und Illustrationen bedeuten wenig, wenn sie nicht an göttliche Prinzipien gebunden sind. Losgelöst von der Wahrheit des Wortes Gottes gibt es keine Basis für gottwohlgefälliges Verhalten.

Es gibt nur drei Möglichkeiten: Entweder wir lehren Wahrheit, oder Irrtum, oder überhaupt nichts

Bevor der Prediger jemanden bitten kann, eine bestimmte Aufgabe zu übernehmen, muss er zunächst Lehre vermitteln. Er muss seine Botschaft um die theologischen Themen herum entwickeln und aus dem Bibeltext die Prinzipien herausarbeiten. Dann erst kann diese Wahrheit angewendet werden.

Der Römerbrief stellt das deutlichste biblische Beispiel dafür dar. Paulus gibt keine Ermahnung, bevor er nicht elf Kapitel Theologie weitergegeben hat.
Er erklimmt unglaubliche Höhen der Wahrheit, die in Römer 11, 33-36 in den Worten gipfeln:

„O Tiefe des Reichtums, sowohl der Weisheit als auch der Erkenntnis Gottes! Wie unerforschlich sind seine Gerichte und unaufspürbar seine Wege! Denn wer hat des Herrn Sinn erkannt, oder wer ist sein Mitberater gewesen? Oder wer hat ihm vorher gegeben, und es wird ihm vergolten werden? Denn aus ihm und durch ihn und zu ihm hin sind alle Dinge! Ihm sei die Herrlichkeit in Ewigkeit! Amen.“

Dann wendet er sich in Kapitel 12 unmittelbar den praktischen Auswirkungen der Lehre der ersten 11 Kapitel zu. Kein Abschnitt der Schrift gibt die Verantwortung des Christen gegenüber der Wahrheit deutlicher wieder als Römer 12, 1-2. Gegründet auf 11 Kapitel tiefgründiger Unterweisung ruft Paulus jeden Gläubigen zur höchsten Tat geistlicher Anbetung auf: sich selbst als lebendiges Opfer hinzugeben. Lehre führt zur Hingabe an Christus, die höchste praktische Handlung überhaupt. Der verbleibende Teil des Römerbriefes fährt dann fort, die vielen praktischen Auswirkungen der Hingabe an Christus zu erläutern.

Paulus geht in seinen Briefen an die Galater, Epheser, Philipper, Kolosser und in seinem 1. Thessalonicherbrief nach dem gleichen Muster vor. Zuerst kommt der lehrhafte Teil. Auf dieser Grundlage baut er die praktische Anwendung auf, indem er eine logische Verbindung durch das Wort „darum“ oder „also“ herstellt (Röm. 12,1; Gal. 5,1; Eph. 4,1; Phil. 2,1; Kol. 3,1; 1. Thess. 4,1; gr. ‚oun‘, im Deutschen meistens mit ’nun‘ oder ’so‘ wiedergegeben).

Echte Lehre verändert das Verhalten im Alltag

Aber sie muss verstanden sein, wenn sie Auswirkungen haben soll. Die wahre Herausforderung des Dienstes ist es, die Wahrheit klar und genau zu vermitteln. Die praktische Anwendung ergibt sich dann einfach durch vergleichen.
Kein Gläubiger kann eine Wahrheit anwenden, die er nicht kennt. Diejenigen, die nicht verstehen, was die Bibel wirklich über Ehe, Scheidung, Familie, Kindererziehung, Disziplin, Geld, Schuld, Arbeit, Christus dienen, ewige Belohnung, den Armen zu helfen, für Witwen zu sorgen, die Regierung zu achten und andere Lehren aussagt, werden nicht in der Lage sein, dieses wirklich zu leben.

Jene, die nicht wissen, was die Bibel über Erlösung lehrt, können nicht gerettet werden. Diejenigen, die nicht wissen, was die Bibel über Heiligung lehrt, sind unfähig, mit der Sünde fertig zu werden. Folglich sind sie nicht in der Lage, zu ihrem eigenen Segen und zu Gottes Ehre zu leben.
Der Kern alles dessen, was praktisch anwendbar ist, ist in den Lehren der Schrift gesät. Es geht nicht darum, die Bibel bedeutsam zu machen, sie ist es von sich aus bereits, einfach weil sie Gottes Wort ist. Und schließlich, wie kann irgendetwas, was Gott sagt, unbedeutend sein?

Übersetzung: Doris Jording, Bielefeld, 2001, Originaltitel: „But What Does It Mean To Me?“

 

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